Die
Neue Rechtschreibung auf drei Seiten
Was sich in der Praxis geändert hat
Wo wird ß zu ss?
Wo kommt das Komma hin?
Wie wird jetzt getrennt?
Wie verbindet man Zahlen mit
Wörtern?
Was wird jetzt getrennt
geschrieben?
Was wird groß geschrieben?
Eine Schifffahrt auf dem
Ketschapsee usw.
Kennen Sie schon Netzi,
die hilfsbereite Spinne?
Grafik:
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Kommaregeln
- Wo kommt das Komma hin?
Es gibt noch gute Nachrichten: Das Komma kommt jetzt im Prinzip da hin,
wo die Sprecherin oder der Sprecher eine Sprechpause machen
würde.
Einige undurchschaubare Kommaregeln wurden abgeschafft. Vor
"und"-Sätzen und vor dem erweiterten Infinitiv mit "zu" kann
jetzt
ein Komma stehen oder auch nicht:
Sie ging hin und er schaute weg. Sie ging hin, und er
schaute weg.
Er versuchte sich loszumachen. Er versuchte, sich loszumachen.
Haupt- und Nebensatz werden aber nach wie vor immer mit Komma getrennt:
Ich kam nicht weit, weil...
Der Kunde, der gestern angerufen hat, wollte...
Als sie die Straße überquerte, fuhr...
Wenn nach Wörtern wie "darauf", "davon" kein dass-Satz,
sondern
eine Infinitivgruppe folgt, muss diese ebenfalls in Kommas gesetzt
werden:
Davon, hier sauber machen zu müssen, war
vorher keine Rede.
Wie
wird jetzt getrennt?
Grundsätzlich wird jetzt immer nach Sprechsilben getrennt; die
Trennung kommt dahin, wo auch beim Sprechen die Pause ist: deshalb
jetzt a-ber, Pä-da-go-ge (statt
Päd-ago-ge), he-rein, da-rin, da-rauf, Kas-ten, Fris-ten,
Lo-cken, ga-ckern.
Brutal wie es das Fernsehen lehrt trennen wir jetzt das st,
auch wenn es vor Schmerzen wimmert. Das ck dagegen
wird nicht mehr zu k-k, sondern rutscht komplett in die neue Zeile;
genau wie ch und sch es schon früher taten.
Übrigens: Die Um-lei-tung wurde auch
früher schon so getrennt und nicht anders!
Das Ganze ist aber kein Freibrief für Trenn-Orgien. Einen
kultivierten Text erkennt man weiterhin u. a. daran, dass
- niemals mehr als zwei Trennungen direkt übereinander stehen,
- am
Anfang der neuen Zeile niemals
merkwürdige und unverständliche Gebilde
stehen wie "beitsvertrag", "onsunterricht", "renschaft", - auch am Ende der Zeile keine Wortschöpfungen entstehen wie "Verkaufser-".
Wie
verbindet man Zahlen mit Wörtern?
Zusammengesetzte Wörter, die aus einer Zahl und einem anderen
Wort
bestehen, werden jetzt mit Bindestrich getrennt: 16-jährig,
die 17-Jährige, der 24-Seiter, 99-prozentig.
Für Zahlen von eins bis zwölf gilt aber nach wie vor:
Wenn sie als Wort im Satz oder in einer satzartigen Formulierung
stehen, schreibt man sie aus, auch in solchen Zusammensetzungen (also:
der achtjährige Sohn packte seine sieben Sachen). Wenn sie als
Nummer, Seitenzahl o. ä. auftreten, schreibt man sie hingegen
als Ziffer.
Die 90er Jahre bleiben ohne Bindestrich, weil
"90er" kein zusammengesetztes Wort ist. Und: Dinger wie "90iger" oder
"90-ziger" sind so falsch wie ehedem. Das sieht man, wenn man die 90
ausschreibt: 90 heißt neunzig, 90er heißt
neunziger, 90ger
heißt neunzigger, 90iger heißt neunzigiger, 90ziger
heißt neunzigziger.
Was
wird jetzt getrennt geschrieben?
Das ist das schwierigste und umstrittenste Kapitel; in
Zweifelsfällen muss man leider, wie früher auch,
einzeln
nachschlagen. Der Versuch der Reformer, die frühere
Willkür
in diesem Punkt durch nachvollziehbare Regeln zu ersetzen, ist nicht
wirklich gelungen und hat viele neue Widersprüche erzeugt.
Nach neuer Rechtschreibung getrennt geschrieben werden
Ausdrücke, die zusammengesetzt sind aus
- zwei Verben ("kennen lernen", "spazieren gehen");
- Substantiv und Verb ("Rad fahren", "Ball spielen"; auch: "die Holz verarbeitende Industrie");
- Adjektiv und Verb, wenn das Adjektiv steigerbar ist ("bekannt machen", da man etwas auch noch bekannter machen kann; "fern liegen", da etwas auch sehr fern liegen kann); diese Regel betrifft auch vom Verb direkt abgeleitete Adjektive wie "fern liegend", "viel sagend";
- "anders" und Verbableitung ("anders denkend", "anders geartet", "anders lautend");
- Adverb und Verb, wenn auch das Adverb an sich bereits zusammengesetzt ist aus zwei Wörtern, die man auch getrennt schreiben kann ("abhanden kommen", "auseinander setzen", "beiseite schieben", "zugute kommen", da man sagen kann: ab Handen, aus einander, bei Seite, zu Gute).
- so
genannte(r), so viel, so wenig, wie
viel, wie wenig, zu viel, zu wenig;
irgendetwas dagegen wird irgendwie immer noch zusammengeschrieben.
Was
wird groß geschrieben?
Mehr als früher. Wenn früher die Faustregel galt: "im
Zweifel klein schreiben", dann gilt jetzt: "im Zweifel groß".
Das gilt im Großen und Ganzen, besonders aber heute Abend und
Freitag Mittag, betrifft den Nächsten und das Folgende: auf
Grund, auf Englisch, auf dem Laufenden, aufs Beste; natürlich
auch beim Ball spielen, Rad fahren, Recht haben, Angst haben.
Eine
Schifffahrt auf dem Ketschapsee usw.
Dass Schifffahrt und Brennnessel jetzt mit Dreierkonsonanten
geschrieben werden, wie auch früher schon Sauerstoffflasche
und Fetttropfen, hat in der Praxis viel weniger Bedeutung, als es in
der Diskussion über die Reform hatte; die Wörter
kommen einfach nur selten vor. Die Eindeutschung von
Fremdwörtern (Spagetti mit Ketschap) ist ohnehin
Geschmacksache und dem Einzelnen überlassen; die
fremdsprachlichen Schreibungen sind weiterhin korrekt.
Was öfter vorkommt, sind folgende Angleichungen:
Nummer, deshalb jetzt auch nummerieren
(früher: numerieren)
Platz, deshalb jetzt auch platzieren
(früher: plazieren)
grau, deshalb jetzt auch rau (früher:
rauh)
Grauen, deshalb jetzt Gräuel
(früher: Greuel)
Aufwand, deshalb jetzt auch aufwändig
(früher: aufwendig)
Hände, deshalb jetzt behände
(früher: behende)
Überschwang, deshalb jetzt überschwänglich
(früher: überschwenglich).
Man nennt das Stammschreibung: Die Wörter sollen so
geschrieben werden wie ihr Wortstamm.